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Daphne Caruana Galizia
* 26. August 1964  –  † 16. Oktober 2017


Wir gedenken der ermordeten Journalistin und Kollegin.

Wir denken an ihre Familie.


Daphne Caruana Galizia hinterlässt drei Söhne - Matthew, Andrew, Paul und ihren Ehemann Peter.


Die investigative Journalistin Daphne Caruana Galizia wurde am 16. Oktober 2017 in Malta - einem EU-Land - durch ein Attentat mit einer Autobombe ermordet.


There are crooks everywhere you look now. The situation is desperate.
(
Überall, wo man hinschaut, sind Ganoven. Die Situation ist zum Verzweifeln.")

Dies sind die letzten Worte Daphne Caruana Galizia.
Sie schrieb sie wenige Minuten vor ihrem Tod in ihrem letzten Post auf ihrem Blog "Running Commentarys - Daphne Caruana Galizia’s Notebook"
(https://daphnecaruanagalizia.com/2017/10/crook-schembri-court-today-pleading-not-crook/).

Ihre letzten Worte hätten kaum treffender sein können und stehen für Ihre jahrelange hervorragende journalistische Arbeit und für Ihren Tod. Sie beschreiben die Situation in Malta wie vermutlich auch ihren Kampf dagegen - sie stand alleine dar.

So schrieb ihr Sohn Matthew Caruana Galizia, der als Journalist für das internationale Recherchenetzwerk ICIJ arbeitet, am 17.10.2017:
Meine Mutter wurde getötet, weil sie wie viele starke Journalisten zwischen dem Gesetz und jenen, die es verletzen wollen, stand. ... Sie sei allerdings auch deshalb ein Ziel geworden, weil sie „die einzige Person“ war, die für diese Werte einstand." ... „Das passiert, wenn staatliche Institutionen außer Gefecht gesetzt werden: die letzte Person, die übrig bleibt, ist oft ein Journalist.“ ... Er (Anmerkung: der maltesischen Premierminister) und andere führende Politiker seien Komplizen. Sie seien für das Geschehene verantwortlich."

Benedikt Strunz - NDR Ressort Investigation im Interview - im ARD Nachtmagazin am 18.10.2017:
Eine herausragende Journalistin an der man sich ein Vorbild nehmen kann und als solche bleibt sie mir auch in Erinnerung“ ... „Ja ich hab das auch wahrgenommen (Anmerkung: maltesische Regierung fordert lückenlose Aufklärung), ich stell mir die Frage, wie ernst es damit gemeint ist, denn man muss ja sagen, fast die gesamte Regierung hat wirklich sehr, sehr hart Daphne angegriffen, in den vergangenen Jahren teilweise auch unter der Gürtellinie und ich denk einige Akteure - und da schaue ich auch auf dem Premierminister - müssen sich jetzt die Frage stellen inwiefern sie mit diesen Angriffen möglicherweise auch ein Klima geschaffen haben indem so ein furchtbares verbrechen überhaupt erst möglich ist.

Der ehemalige griechische Finanzminister Varoufakis twitterte: „Europa im 21. Jahrhundert: Hinrichtung einer Aktivistin, die Steuerbetrug aufdeckte.

Daphne Caruana Galizia kämpfte gegen Intransparenz, mafiaähnliche Strukturen, recherchierte und berichtete über Steueroasen, von Banken unterstütze Geldwäsche und Korruption. Sie prangerte die Verstrickung hochrangiger Mitglieder der maltesischen Regierung darin an. So deckten z. B. ihre Recherchen zu den sog. "Panama Papers" auf, dass Geld aus Aserbaidschan über eine kleine Bank in Malta an eine Firma floss, die der Ehefrau des maltesischen Premierministers gehörte. Sie enthüllte Vetternwirtschaft und Verbindungen zwischen der maltesischen „Online-Gaming-Branche“ und der Mafia. Aber auch dem Oppositionsführer warf sie Verbindungen zu Drogengeschäften vor und prangerte Missstände in der Justiz und Polizei an. „There are crooks everywhere you look now. The situation is desperate.“

Ihre Ermordung zeigt wie Recht sie hatte und ist die größte, wenn auch grausamste „Bestätigung“, ihrer journalistischen Arbeit.


Ihr Blog "Running Commentarys - Daphne Caruana Galizia’s Notebook"
(https://daphnecaruanagalizia.com) gehörte zu den meistbesuchten Internetzseiten Maltas (ca. 433.000 Einwohner). Laut dem US-Magazin "Politico" klickten an einigen Tagen 400.000 Menschen ihren Blog an.

Das US-Magazin „Politico“ listete Daphne Caruana Galizia unter den 28 einflussreichsten Personen Europas in seinem Ranking „Politico 28“ auf. Das Magazin nannte sie „One-Woman-WikiLeaks“ („Eine-Frau-WikiLeaks“), die „einen Kreuzzug gegen Intransparenz und Korruption“ führt.


Daphne Caruana Galizia erhob ihre Stimme auch gegen die totalitären Regime in der arabischen Welt. So unterstützte sie Demonstrationen, als in Libyen im Februar 2011 Proteste gegen das Gaddafi-Regime ausbrachen.
„A call to protest in front of the Libyan Embassy in Attard today at 11am until 2pm, to condemn the massacres of innocent civilians by the Gadaffi regime. This is a plea to all those who value human life and the upholding of human rights and dignity." (Post aus ihrem Block vom 21.02.2011 -
https://daphnecaruanagalizia.com/2011/02/enough)


Daphne Caruana Galizia kritisierte aber auch die „legale“ Steueroase Malta. Sie prangerte immer wieder an, dass Malta die Geldwäsche-Vorschriften missachtet. Auf der kleinen Insel mit ca. 430.000 Einwohner sind ca. 70.000 Unternehmen registriert; auch deutsche Unternehmen wie BASF, BMW, Lufthansa, Sixt. Einige haben ein Büro, andere nur einen Briefkasten auf Malta. Die Unternehmenssteuern beträgt zwar - um den Schein zu wahren - 35 Prozent. Doch davon erhalten die Firmen stets den größten Teil zurück. Der tatsächliche Steuersatz liegt dann bei nur fünf Prozent. Laut den Unternehmen und der maltesische Regierung, ganz legal.

"Durch diese Tricks gehen dem deutschen Fiskus jedes Jahr Milliarden verloren." Netzwerk Steuergerechtigkeit.

Malta ist ein Piratennest für Steuervermeidung im Mittelmeer“ ... „Die EU-Kommission müsse nun endlich ein Strafverfahren gegen die maltesische Regierung starten, weil sie die Geldwäschevorschriften nicht umgesetzt hat.“ ... „Seit vier Monaten liegt unsere schriftliche Anfrage unbeantwortet bei der EU-Kommission. Diese Kultur der Straflosigkeit darf so nicht weitergehen, sondern wir brauchen nicht nur die Aufklärung dieses Mordes, sondern auch eine echte Offensive gegen Finanzkriminalität in Europa." Sven Giegold, Mitglied des Europäischen Parlaments.


Als investigative Journalistin lebte Daphne Caruana Galizia seit vielen Jahren gefährlich in Malta - in einem EU-Mitgliedsstaat. Schon 2006 zündeten unbekannte Täter ihr Auto an, nachdem sie über Korruption berichtete. Sie hatte bereits mehrfach bei der Polizei Anzeige erstattet. Sie erhielt aber keinen Polizeischutz. Dafür wurden ihre Bankkonten gesperrt und sie ihrer Freiheit zeitweise beraubt. Zwei Wochen vor ihrer Ermordung hatte sie sich wieder an die Polizei in Malta gewandt, weil sie Morddrohungen erhalten hatte. Doch die Polizei tat wieder nichts. Im Gegenteil, ein Polizist verhöhnte sie nach ihrer Ermordung äußerst widerwärtig. Jeder wusste, dass ihr Leben ernsthaft in Gefahr war, aber die Regierung und Justiz taten nichts; außer sie zu verunglimpfen und ein Klima zu schaffen, das ihre Ermordung erleichterte.

Der frühere Innenminister Maltas, Louis Galea, sagte, es handele sich um einen politischen Mord. Obwohl das Risiko bekannt gewesen sei, habe die Polizei nichts getan. „Der Staat, die Regierung und ihre Institutionen hätten die heilige Pflicht gehabt, das Leben von Daphne zu schützen.

Der Schutz Daphne Caruana Galizia wäre auch ein Schutz der Presse-, Informations- und Meinungsfreiheit, der Rechtstaatlichkeit und der Grundrechte und Grundwerte Europas gewesen. Dazu sind insbesondere alle Regierungen der EU-Mitgliedstaaten, aber auch deren Justiz und Parlamente verpflichtet.

Ein "schreckliches Ereignis, eine Tragödie" nannte Margaritis Schinas, Chefsprecher der EU-Kommission die den Tod der Journalistin. Ihr Sohn, Matthew Caruana Galizia, ahnte diese Heuchelei bereits. "Das war nicht tragisch", schrieb er. Tragisch sei, wenn jemand von einem Bus überfahren werde. "Wenn Blut und Feuer um dich herum ist, dann ist das Krieg. Wir sind ein Volk im Krieg gegen den Staat und das organisierte Verbrechen." so Matthew Caruana Galizia weiter.

Die EU-Kommission wird offensichtlich weiter nur zuschauen. „Wie vertrauen darauf, dass es Gerechtigkeit geben wird", sagte EU-Kommissionssprecher Schinas. Dass die EU-Kommission jedoch etwas tun wird, sagte er nicht. Vielmehr wies er Spekulationen, dass es womöglich ein Verfahren zum Schutz des Rechtsstaats in Malta geben könnte, zurück. Auch sonst will die EU-Kommission nichts unternehmen, zumindest kündigte sich nichts an. Selbst der in einem solchen Fall zuständig niederländische Vizepräsident der EU-Kommission, Timmermans, wird nichts tun, er sagte nur „Wenn Journalisten zum Schweigen gebracht werden, ist unsere Freiheit verloren.".

Für Sven Giegold, Mitglied des Europäischen Parlaments, reichen Worte nicht: „Die kriminelle Energie und die engen Verbindungen zwischen politischer und wirtschaftlicher Elite in Malta sind verheerend." ... „Europa darf nicht länger die Augen davor verschließen, wie in Malta der Rechtsstaat mit Füßen getreten wird." Er fordert, dass die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren einleiten müsse; jedoch beleibt die EU-Kommission untätig. Weiter betont er: „Daphne Caruana Galizia spielte eine entscheidende Rolle bei der Aufklärung schwerwiegender Vorwürfe zu Geldwäsche und Korruption in Malta, einschließlich Anschuldigungen gegen hochrangige Mitglieder der maltesischen Regierung. Immer wieder haben wir uns im Europaparlament auf ihre in Malta einzigartigen Recherchen gestützt. Ich bin tief erschüttert über diesen Mord und frage mich: Ist das Russland oder Europa? Jetzt muss es eine gründliche Untersuchung der Tat geben! Gewalt gegen Journalisten und Verletzungen der Presse- und Meinungsfreiheit in der Europäischen Union können unter keinen Umständen toleriert werden.

Es ist schockierend, dass in einem Land der Europäischen Union eine Journalistin ermordet wird, die politische Korruption aufgedeckt und sich als scharfe Kritikerin der Regierung profiliert hat“, Christian Mihr, Geschäftsführer Reporter ohne Grenzen.

"Brutaler Mord an Daphne Caruana Galizia: tragisches Beispiel einer Journalistin, die ihr Leben geopfert hat, um die Wahrheit ans Licht zu bringen", twitterte Antonio Tajani, Präsident des EU- Parlaments.

Die Journalistin Daphne Caruana Galizia hat unbequeme Fragen gestellt. Und damit möglicherweise mit ihrem Leben bezahlt." ... „Das Recht von Journalisten unbequeme Fragen zu stellen, müsse jederzeit garantiert werden“ ...
Präsident Jean-Claude Juncker und die Kommission verurteilen diesen Anschlag mit den schärfstmöglichen Worten"... „Wir setzen darauf, dass das geahndet wird." ... Wie vertrauen darauf, dass es Gerechtigkeit geben wird" ... „Die Behörden auf der Mittelmeerinsel müssten jetzt ihre Arbeit tun.“ Margaritis Schinas, Chefpressesprecher der Europäischen Kommission.

Für Daphne Caruana Galizia ist es jetzt zu spät. Die Regierung Maltas und die Europäischen Kommission haben ihre Arbeit nicht getan.

Am Dienstag, 24. Oktober 2017, gedachte das Europäische Parlament der ermordeten Journalistin Daphne Caruana Galizia und führte eine Plenardebatte über die Meinungsfreiheit in Malta.




In eigener Sache:

Wir haben uns in der Redaktion dazu entschlossen, nicht nur den Tod von Daphne Caruana Galizia zu betrauern und ihrer zu gedenken. Sondern hoffen, dass es in ihrem Sinne gewesen wäre, ihre Ermordung zu beklagen. Daher ist dies nicht nur ein Nachruf, sondern auch eine Anklage, ein Aufruf.

Jede Journalistin und jeder Journalist der Daphne Caruana Galizia „Kollegin“ nennt sollte sich bewusst sein, welche Ehre sie oder er sich damit gibt und welchen hohen Anspruch sie oder er gerecht werden müsste. Jede Journalistin und jeder Journalist muss sich fragen, welchen Beitrag sie oder er geleistet hat und wo und wie sie oder er Journalisten und Journalistinnen, wie Daphne Caruana Galizia, beigestanden und unterstützt hat.

Zum Zeitpunkt der Ermordung von Daphne Caruana Galizia standen ca. 700 Journalisten aus der ganzen Welt, denen die Reise- und Hotelkosten vom Hersteller bezahlt wurden, in der kleinen Olympiahalle München an, um das neuste, 800 Euro teure Smartphone geschenkt zu bekommen. Auch dies ist Journalismus, wenn auch die angenehme und schöne Seite. Ein Korrespondent dieser Redaktion war auch dort und erhielt so ein Gerät. Dass er als einer der wenigen auf die Erstattung der Reise- und Hotelkosten verzichtete, ist der geringste Beitrag zu einem unabhängigen Journalismus.

Er selbst erhielt, wie einige andere Mitarbeiter unserer Redaktion, bereits Morddrohungen, wurde mehrfach Opfer von brutaler Gewalt und Überfällen aufgrund seiner journalistischen Arbeit und seines Glaubens. Die Polizei tat jedoch kaum etwas. Die letzten Worte von Daphne Caruana Galizia gehen uns daher besonders nah und schmerzen sehr. Soweit sie diese Worte auch auf ihren Kampf und ihre Arbeit bezogen hat - angesichts der Untätigkeit von Regierung, Polizei und Justiz - können wir sie absolut nachvollziehen und von ganzem Herzen verstehen: „Die Situation ist zum Verzweifeln“.

 
 
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